Dienstag, 12. Januar 2016
Buchtipp: “Wie ein Dieb in der Nacht”
Buchbesprechung “Wie ein Dieb in der Nacht“
Pfalzkrimi von Paul Baldauf
Wie ein Dieb in der Nacht bei Amazon !
Endlich, nach rund 4 Jahren, frisch auf dem Markt: “Wie ein Dieb in der Nacht” – der neue Pfalz-Krimi mit dem beliebten Ermittler-Duo Wagner und Rehles. Ich mag Paul Baldaufs Schreibstil, er trifft meinen Geschmack. Mir gefallen Krimis der leiseren Töne besser als blutrünstige Beschreibungen grausamer Mordtaten. Der Schwerpunkt liegt auf den gut ausgearbeiteten, faszinierenden Charakteren. Trotz der zwischenzeitlich vergangenen Zeitspanne gab es kein Fremdeln, nach nur wenigen Seiten stand ich bereits wieder auf gutem Fuß mit Oberkommissar Wagner und Kommissar Rehles. Es war ein Wieder-Finden und Wieder-Erkennen, als hätten sich die Wege nie getrennt: Wagner liebt immer noch Kuba-Rum und kubanische Weisen. Mayra León hat es ihm angetan, “Rhythmus der Lieder und Klangfarbe der Stimme” entspannen ihn bei seiner Ermittlertätigkeit und regen ihn zu unorthodoxen Ideen an. Rehles lässt sich weiterhin von seiner Ehefrau anhimmeln und genießt ihre Bewunderung. Die bereits aus „Kleriker im freien Fall“ bekannten Eigenarten und kleinen Macken der Protagonisten schaffen eine vertraute und entspannte Grundlage beim Lesen. Neu hinzugekommen: die Auszubildende Sandra Schneebel, ein Pfälzer Mädel mit herzerfrischendem Dialekt. Durch sie erfährt der Fall am Ende eine entscheidende Wendung !
Aber halt, beginnen wir am Anfang, wie es sich gehört: Durch den Hinweis einer Nachbarin findet Wagner auf dem alten Friedhof in Speyer die halbverkohlte Leiche eines jungen Mannes. Es handelt sich um Jan Silias, Übersetzer von Beruf. In der Manteltasche des Toten entdeckt der Oberkommissar ein rätselhaftes Gedicht, verfasst in englischer Sprache: “Like a thief in the night – Wie ein Dieb in der Nacht“. Schritt für Schritt wird nun das merkwürdige Poem zerpflückt, übersetzt, entschlüsselt. Ein interessanter Kunstgriff des Autors: dieses Gedicht gibt der Geschichte nicht nur ihren Namen, sondern es zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Roman. Ein Faden also, der (wie Goethe es einmal ausgedrückt hat) “alles verbindet und das Ganze bezeichnet”. Parallel dazu laufen die Recherchen des Speyerer Teams, das anfangs im Dunkeln tappt, nach und nach Hinweise und Indizien sammelt, Schlussfolgerungen zieht, sich im düsteren Labyrinth verirrt und versteigt und den Bösewicht schließlich durch logische Schlussfolgerungen ermittelt. Der Leser wird mitgenommen auf Fährtensuche, er darf ein gedankliches Spiel spielen, ein literarisches Rätsel (mit)lösen.
Das Motiv des Rätsels taucht im Buch gleich mehrmals auf (Hauptkommissar Puhrmann: “Bei Ihnen muss man immer Rätsel raten.” / “Mensch Wagner, Sie sprechen in Rätseln”). Frau Oppelns Kreuzworträtselheft (”13 Buchstaben senkrecht: Rechtsmedizin”) und Wagners Gedankenspiele (”12 Buchstaben senkrecht: Aufschneider” / “Kalevala – Stadt in Finnland, 8 Buchstaben, senkrecht”) unterstreichen das kriminalistische Rätselraten auf originelle Weise.
Wie auch schon bei den “Klerikern“: Mehrere Personen kommen in Frage, der Kreis der möglichen Täter ist überschaubar, so dass Motive und Alibis vom Leser sorgfältig bedacht werden können, ein Auf und Ab, ein Wechselbad der Gefühle, Schuld und Unschuld … Wer war’s? Die Spannung bleibt bis zum Ende bestehen. Der Übersetzer Neiss? Die Nachbarin? Der große Unbekannte? Sandras englischer Brieffreund? Und welche Rolle spielen eigentlich die Herren Zainert und Moira?
Speyer: Domstadt, Pilgerstadt, Brezelstadt. Bis das Gedicht komplett übersetzt und der Mord vollständig aufgeklärt ist, bleibt genügend Zeit für Altstadtspaziergänge mit viel Lokalkolorit. “In Speyer kann man sich ja kaum verlaufen” (Zitat Spiritanerpater Seelinger). Wir schlendern mit dem Autor durch die Straßen, durchs Altpörtel, zu Dom und Domhof. Weitere Stationen des Romans sind der Speyerer Hauptbahnhof, der Friedhof, Buchhandlungen, Restaurants, Kaffeeröstereien, Kirchen, Gebäude, Läden und Geschäfte. Im Café Hindenburg bestellt Wagner korsischen Schafskäse mit Salat, im Imbiss Divan gibt es eine Pizza mit gleichem Namen und in der Pizzeria Caminetto wird leckerer Salat und Penne alla Siciliana verspeist. Überhaupt das Kulinarische … ! Es wird natürlich Laugengebäck gegessen. Gleich im ersten Kapital futtert Wagner “zwei Käsebrezeln”. Im 14. Kapital bittet er die Auszubildende Sandra, “ein paar Brezeln” zu holen. Kurz vor Aufklärung des Falles wird noch eine große Bestellung am Brezelhäuschen getätigt: “Geben Sie mir drei Käsestangen, sechs kleine und eine große Brezel.” – Mmmmhhh, auf nach Speyer !
Paul Baldaufs neuer Pfälzer Regionalkrimi spielt im Übersetzer-Milieu. “Wie ein Dieb in der Nacht” ist gut gemacht, gekonnt und spannend geschrieben, originell, mit vielen lebhaften Dialogen und Dialekteinsprengseln witzig aufgelockert. Ich habe das Buch mit Freude gelesen, und bin gerne dabeigeblieben. Naja, ab und zu muss man seine Lese-Couch verlassen, um sich eine Butterbrezel zu genehmigen … Man kann nur von ganzem Herzen hoffen, dass der nächste Mordfall in Speyer nicht allzu lange auf sich warten lässt :-)
Fazit: Um die Sache im Stil von Oberkommissar Wagner auszudrücken: “Beifallsruf, 5 Buchstaben waagrecht - BRAVO”.
(Rezension: Brigitte Stolle ©)
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